Ja, wenn ich mich schäme, mache ich zu. Es schützt mich, das ist sicher in vielen Momenten meines Lebens notwendig. Aber es schützt nicht nur, ich habe keinen festen Stand, kann nicht ausgleichen, kann mich auch nicht festhalten, kann keine Hand reichen oder annehmen, bin nur bei mir selber.

Wenn ich aufmache, mich öffne, bekomme ich Luft, werde freier, kann dem anderen meine Hand hinstrecken, kann Hilfe annehmen. Aber wie öffne ich mich denn, was sind die Voraussetzungen hierfür?

Ein „Kochrezept“ zu diesem Riesenthema kann ich Ihnen nicht geben, erwarten Sie mit Sicherheit auch nicht von mir. Meine Erfahrung als Schwerhörige ist, dass nur die Offenheit die Voraussetzung schafft, mich weiterzuentwickeln, weitere Schritte von meiner Umgebung zu mir erst möglich zu machen.

Ich muss für mich klar sein, einschätzbar für die anderen.

Offenheit setzt voraus:
Respekt – ich respektiere meine Behinderung, nehme mich so an, wie ich bin, gehe freundlich und liebevoll mit mir um – und mit meinem Gegenüber. Mein Gegenüber respektiert mich – auch mit meiner Behinderung.
Vertrauen: Ich habe Selbstvertrauen, dann bin ich mutig genug, Vertrauen zu entwickeln. Ich vertraue meinem Gegenüber, traue mir zu, ihm meine Schwachstelle zu zeigen.
Hilfsbereitschaft – mein Gegenüber möchte mir helfen, ihn zu verstehen, aber ich bin auch bereit, mir helfen zu lassen Hephata, ich öffne mich. Je offener und freier ich mit meiner Behinderung umgehe, je offener und einfühlsamer der Normal Hörende damit umgeht, umso leichter kann ich die Bürde meiner Behinderung tragen.

„Einer trage des anderen Last“ heißt nicht, dass der Guthörende meine Last tragen soll, wenn er mir aber ein wenig dabei hilft, meinen Weg zu gehen, ist mein Leben leichter und schöner - mit meiner Behinderung. Denn die ist ein Teil von mir! Ihnen Allen wünsche ich viele schöne Begegnungen und Erfahrungen auf diesem Seminar und denken Sie daran: Seien Sie ruhig UNVERSCHÄMT! DANKE!

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Mit gemischten Gefühlen sah ich dem Tag meines ersten Referats entgegen. Wie würden sich die Teilnehmer diesem schwierigen Thema stellen? Kommen überhaupt welche, der Vortrag lief immerhin parallel zu einer anderen, sehr attraktiven Veranstaltung.

Es war wunderbar: Etwa die Hälfte aller Seminarteilnehmer kam zu „meinem“ Thema. Die Gruppe setzte sich fast zu gleichen Teilen aus Schwerhörigen und Guthörenden zusammen. Trotz der zum Teil  langen Anreise gingen alle auf das Thema Scham ein und sind intensiv ins Gespräch gekommen. Im ersten Teil sollten sie wie oben beschrieben Gefühle und andere Begriffe dazu benennen.

  • Gefühle:
  • traurig
  • klein
  • bloßgestellt
  • hilflos
  • Verlegenheit
  • Beklemmung
  • Hemmung
  • Unsicherheit
  • Gehemmtheit, Selbstwertgefühl, Eingeschränktheit
  • Scheu
  • Fehlverhalten, Schuld
  • Angst vor dem Eingeständnis einer Schwäche, eines Geheimnisses
  • Angst, Ungnade, Spott zu erfahren
  • Angst, Einsamkeit, Verdrängung
  • Käfig, Flucht nach vorne – du sollst nicht merken, dass …
  • Die Scheu, nachzufragen oder Hörgeräte zu tragen
  • Ohne Diskussion - Keine Gefühlsäußerung - Bin allein gelassen
  • Erröten – Stottern - verstummen
  • Mangelndes Verständnis der Guthörenden
  • Interesselosigkeit der Guthörenden
  • (Die aus meiner Sicht bitterste Darstellung der Scham) UNSICHTBAR SEIN WOLLEN
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