Heft 36, Winter 2011
Mal geht es um die Kostenübernahme für Hörgeräte oder dringend benötigte Zusatztechnik oder eine Reha-Maßnahme und Weiterbildung - viele Hörbehinderte müssen sich mit verschiedenen Kostenträger zu befassen, um einige Mehrkosten und Belastungen der Behinderung auszugleichen.
Wie die nachfolgenden Erfahrungen eines Mitglieds beweisen, lohnt es sich, dabei am Ball zu bleiben. Ein langer Atem und Unterstützung von Institutionen, Akustikern, Arbeitgebern und Anwälten ist dabei sehr wichtig.
Meine Erfahrungen mit der Rentenversicherung
Von B.A.
Übernahme von Hörgeräte-Mehrkosten
Im Juni 2006 habe ich neue Hörgeräte verordnet bekommen. Bis zum Dezember erprobte ich verschiedene Modelle. Am Ende waren es vor allem zwei, die ich auch immer wieder über einige Tage mit nach Hause bekam und fleißig bei allen möglichen Gelegenheiten ausprobiert habe.
Meine Akustikerin stellte für mich einen Antrag bei der Krankenkasse auf Übernahme der Mehrkosten und begründete diesen mit meinem akustisch schwierigen Umfeld bei der Berufsausübung. Die Krankenkasse teilte mir daraufhin mit, dass sie in diesem Falle nicht zuständig sei und dass sie meinen Antrag an den entsprechenden Leistungsträger weitergeleitet habe.
Anfang Januar 2007 erhielt ich von der Rentenversicherung die Eingangsbestätigung und einiges an Antragsformularen, die ich ausfüllen möge und mit einer Arbeitsplatzbeschreibung (vom Arbeitgeber unterschrieben) dann einreichen möge. Das habe ich getan und der Antrag wurde abgelehnt. Ich legte Widerspruch ein, dem Widerspruch wurde nicht abgeholfen.
Parallel korrespondierte ich mit der Krankenkasse, um sie von dem Schriftverkehr mit der Rentenversicherung in Kenntnis zu setzen und immer wieder aufzufordern, im Rahmen ihrer Ermessensspielräume die Hörgerätemehrkosten zu übernehmen bzw. sich daran zu beteiligen. Die Krankenkasse prüfte und prüfte, schickte Papiere, die ich unterschreiben sollte und überwies nicht den Festbetrag, weil ich diese Papiere nicht unterschrieb.
Mit der Akustikerin war ich ebenfalls im engen Austausch; sie hatte sich ihrerseits bei ihrem Berufsverband erkundigt und war bereit, mit mir zusammen aufs Ganze zu gehen und auch so lange auf ihr Geld zu warten.
Schließlich wandte ich mich an den Sozialverband, bei dem ich Mitglied bin, und reichte mit dessen Hilfe Klage beim Sozialgericht ein. Das war im Sommer 2007 und es passierte nichts mehr.
Ein Jahr später erkundigte sich die Rechtsanwältin höflich nach dem Stand der Angelegenheit und erhielt die Antwort, dass die Sache entscheidungsreif sei, ein Termin jedoch nicht gefunden werden könne. Im Herbst 2008 wollte die Rentenversicherung plötzlich die Anpassberichte prüfen und es gingen ein paar Briefe hin und her.
Im Frühjahr 2009 beantragte ich eine Reha für Hörgeschädigte in Rendsburg, die mir genehmigt wurde als Bestandteil des Verfahrens vor dem Sozialgericht. Als ich Mitte Juni 2009 von meinem Urlaub zurückkam, fädelte mich die Reha-Beraterin sofort in die nächste Maßnahme in Rendsburg ein, die Anfang Juli begann ...
Als der Reha-Bericht vorlag, erhielt ich im Herbst 2009 endlich den langersehnten Bescheid, dass ich zur Zeit zum Kreis der Berechtigten gehöre. Ich sollte die Rechnung für die Hörgeräte einreichen, abzüglich des Festbetrages der Krankenkasse ... Na endlich!
Und da habe ich mich in meinem inzwischen dicken Ordner vergriffen und eine Rechnung eingereicht, die inzwischen längst storniert worden war.
Für die Rentenversicherung war daraufhin die Sache klar, das Rechnungsdatum lag vor dem Antragsdatum, und deshalb lehnten sie die Bezahlung der Hörgeräte ab. Ich schrieb, die Anwältin schrieb, die Rentenversicherung schrieb, der Ordner füllte sich weiter, es wurde Frühsommer und es passierte nichts weiter.
Im Sommer 2010 erbat die Anwältin beim Sozialgericht erneut Auskunft nach dem Verfahrensstand – und erhielt dieselbe Antwort wie zwei Jahre zuvor: die Sache ist entscheidungsreif, ein Termin kann nicht gefunden werden.
Und dann kam plötzlich die Ladung zur Anhörung Mitte Dezember 2010. Einen Tag vorher wurde der Termin jedoch wegen Erkrankung der Richterin auf Anfang Februar 2011 verschoben ...
Drei Tage vor meinem Geburtstag fand endlich die Anhörung im Sozialgericht statt. Nach einer Stunde gab die Vertreterin der Rentenversicherung eine Anerkenntnis ab und ich war glücklich. Meine Anwältin verabschiedete sich mit den Worten, nun müsse ich nur darauf achten, dass die Rentenversicherung auch zahlt.
Mitte März 2011 erhielt ich einen weiteren Bescheid und ein dazugehöriges Formular von der Rentenversicherung, das ich ausfüllen sollte und von der Personalabteilung meines Arbeitgeber ergänzen lassen musste, damit der Betrag überwiesen werden könne. Das erledigte ich sofort und gab alles im Dienstgebäude der Rentenversicherung ab. Es passierte nichts.
Ich fragte beim Sozialverband nach, welche Rechtsmittel ich habe, um die Rentenversicherung zur Zahlung zu zwingen. Da es keine Verhandlung, sondern eine Anhörung vor dem Sozialgericht war, die mit der Anerkenntnis der Rentenversicherung geendet hatte, gab es keinen Titel, der vollstreckbar wäre. Also schrieb ich vier Wochen später an die Rentenversicherung und forderte den Betrag bis Ostern. Es geschah nichts.
Nach weiteren vier Wochen schrieb ich erneut an die Rentenversicherung, dass mich dieses Verhalten empört und dass ich mich nun um Unterstützung in dieser Angelegenheit an verschiedene Einrichtungen und Verbände wenden würde u. a. auch an die Richterin am Sozialgericht und die Ombudsfrau einer Tageszeitung.
Erst Ende Mai 2011 überwies die Rentenversicherung den Betrag - da war ich gerade in Urlaub geflogen und konnte mich erst drei Wochen später nach meiner Rückkehr darüber freuen. Diese Angelegenheit hat ein gutes Ende gefunden und ist nun abgeschlossen.
Weiterbildung als berufliche Rehabilitation
Seit etwa fünf, sechs Jahren spüre ich deutlich, dass mir meine Hörschädigung zunehmend zum Kommunikationshindernis bei meiner Berufsausübung wird. Schon im Sommer 2008 überlegte ich, welche Möglichkeiten ich habe, um etwas anderes zu machen.
Ich absolvierte eine Kompetenzenbilanzierung und sprach dieses Thema auch im Sommer 2009 bei der Reha in Rendsburg an. Ich wollte erstmal den Ausgang der gerichtlichen Auseinandersetzung wegen der Übernahme der Hörgerätemehrkosten abwarten und danach erst eine Weiterbildung als berufliche Rehabilitation bei der Rentenversicherung beantragen.
Da sich das Sozialgerichtsverfahren hinzog, besprach ich im Sommer 2010 meine Situation bei einem Mitarbeitergespräch mit meiner Vorgesetzten und suchte die Reha–Beraterin auf. Weitere Gespräche folgten, bei mir im Betrieb und bei der Rentenversicherung. Schließlich stellte ich Mitte Oktober 2010 den Antrag.
Im November wurde ich aufgefordert, Befundberichte der mitbehandelnden Ärzte einzureichen, was ich kurz vor Weihnachten 2010 tat.
Im Mai 2011 teilte ich der Rentenversicherung kurz vor meinem Abflug mit, dass ich in Urlaub fahre und einen Bescheid erwarte, wenn ich Mitte Juni zurückkomme.
Ende Juli schrieb ich erneut, schilderte ausführlich, wie es mir derzeit bei meiner Berufsausübung geht und dass ich mich zunehmend als Belastung für meine Kolleginnen empfinde. Außerdem hatte ich ja schon im Oktober meinen Vorgesetzten gegenüber angedeutet, dass ich eine Weiterbildung anstrebe und so auch hier unter Druck komme. Diesen Brief gab ich offen in der Beratungsstelle ab mit der Bitte, auf der Kopie des Schreibens den Eingang zu bestätigen.
Vier Tage später hörte ich eine Nachricht auf meinem Anrufbeantworter, dass der Bescheid unterwegs sei. Er kam dann Mitte der nächsten Woche an.
Dem Grunde nach wurden mir Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bewilligt; über Art und Umfang sollte bei einem Beratungsgespräch entscheiden werden, zu dem ich schnellstmöglichst von der mir bereits bekannten Reha–Beraterin eingeladen werden würde. Aus organisatorischen Gründen wurde ich gebeten, die Kontaktaufnahme abzuwarten. Und so wartete ich ...
Anfang September, nach fast fünf Wochen, rief ich bei der Reha–Beraterin an und musste mit ihrem Anrufbeantworter vorlieb nehmen. Ich rief die Telefonnummer an, die im Bescheid angegeben war und erfuhr, dass nur am Donnerstag Sprechzeiten sind. Ich vergewisserte mich, dass die Reha–Beraterin da ist und gegebenenfalls auch andere ihre E-Mails lesen können und schrieb ihr einen langen Brief, den ich ihr per E-Mail zuschickte.
Eine Stunde später rief mich ihr Kollege an, teilte mir mit, dass die Reha-Beraterin schon länger erkrankt sei und lud mich zum Gespräch drei Tage später ein.
Bei diesem Termin äußerte er sehr deutlich, dass er meinen Arbeitgeber in der Pflicht sieht, mir zu einem leidensgerechten Arbeitsplatz zu verhelfen. Er gab mir zwei Briefe mit, in denen einmal dem Arbeitgeber die Möglichkeit des Lohnkostenzuschuss für mich aufgezeigt wird, zum anderen die Bereitschaft zugesichert wird, mir die Weiterbildung zu bezahlen – wenn der Arbeitgeber sagt, zu was ich weitergebildet werden soll.
Also, Gespräche mit der Vorgesetzten, auch unter Einbeziehung der Personalreferentin. Nun wird geguckt, zu was ich weitergebildet werden könnte. Gleichzeitig habe ich einen Vorschlag unterbreitet, wie die leidensgerechte Ausgestaltung meines derzeitigen Arbeitsplatzes aussehen könnte.
Ich sehe mich noch nicht in der Weiterbildung und warte jetzt einfach ab, was weiter passiert. In neun Jahren und vier Monaten kann ich ganz regulär in Rente gehen ...