Berufsalltag an die Behinderung anpassen

…durch Arbeitskollegenseminare

So habe ich für meine Mitarbeiter und mich Arbeitskollegenseminare organisiert, in denen mein Team zum einen auf den Umgang mit meiner Hörbehinderung sensibilisiert wurde und zum anderen in die Grundlagen der Lautsprache begleitenden Gebärden (LBG) eingeführt wurden. Dies bedeutet für mich eine enorme Kommunikationsverbesserung.

 

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…mit einem Schriftdolmetscher für alle Fälle

In vielen Situationen benötige ich jedoch einen Schriftdolmetscher. Zum Beispiel in Versammlungen, in denen ich den Vorsitz führe oder auch bei Gerichtsverhandlungen, zu denen ich als Vertreter entsandt werde. Aufwendige Beantragungen und langes Planen liegt mir nicht. Ein Dolmetscher muss in meinen Augen bei Bedarf spontan zur Stelle sein und sollte zudem noch kostengünstig sein. Aus diesen Anforderungen entstand die Idee zu einem eher ungewöhnlichen Vorgehen, ein persönliches Projekt sozusagen.

Ich habe zu Beginn des Jahres eine junge Dame eingestellt, die bei mir die Ausbildung zur Bürokauffrau absolviert und parallel dazu eine Schriftdolmetscherausbildung an einer qualifizierten Schule durchführen wird. Auf diese Weise steht mir am Ende des Weges eine in meinem Beruf qualifizierte Arbeitsassistenz zur Verfügung, die zugleich bei Bedarf Schriftdolmetschen kann. Inzwischen haben wir die Einarbeitungsphase hinter uns, und es scheint schon jetzt so, als ob daraus eine von Vertrauen getragene harmonische Zusammenarbeit entsteht.

 

…mit Hilfe des Integrationsfachdiensts

Was die Teilnahme am Arbeitsleben angeht, habe ich viel Hilfe durch den bei uns sehr engagierten Integrationsfachdienst erfahren. Egal, ob es um die Finanzierung der Arbeitsassistenz oder um schallhemmende Maßnahmen in meinem Büro ging – der Integrationsfachdienst steht immer mit Rat und Tat zur Seite.

 

…mit TESS

Ein „Geschenk des Himmels“ ist für mich auch der TESS Telefondolmetscherdienst. Konnte ich bisher nur mit Arbeitsassistenz telefonieren, so ermöglicht mir TESS eigenständiges telefonieren mittels ‚Voice Carry Over’ (VCO). Nur wer wie ich nicht telefonieren kann, weiß, wie sehr ich diese neu gewonnene Freiheit genieße. Die Hemmschwelle, dass jemand ‚mithört’, war schnell überwunden.

 

…mit einem durchdachten Arbeitsplatz

Mein Büro ist so ausgestattet, dass ich Besucher mit direktem Blickkontakt empfangen kann. Lichtverhältnisse, Akustik und Sitzposition sind so gestaltet, dass es mir hilft, Besucher und mein Team besser zu verstehen. Bilder aus besonders schallschluckendem Material, blendfreies, aber dennoch ausreichendes Tageslicht im Rücken und einen Blick auf beide Bürotüren sichern mir ein besseres Hörverstehen. Inzwischen mache ich aus meiner Behinderung so etwas wie ein Geschäftsmodell. So lasse ich von meinen Aktivitäten auch in der Presse berichten.

 

Der Prozess ist angestoßen

Der Weg ist noch lange nicht beendet und wird es wohl auch nie sein. Jedoch ist für mich wichtig, dass ich über Stillstand, Pause und Fortschritt analog zu meinen persönlichen Bedürfnissen selbst entscheiden kann. Aus meiner Sicht habe ich durch den angestoßenen Prozess, die Anstrengungen und Erfahrungen der letzten Jahre nun die Basis geschaffen, um mit meinem Wohlfühltempo weiterzuarbeiten.

Daher kann ich heute guten Gewissens sagen: Selbstständig im Beruf und Behinderung schließen sich nicht gegenseitig aus. Ich wünsche allen viel Mut und auch Erfolg bei der Umsetzung ihrer Pläne.

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