Erkenntnis im lauten Labor...
Es standen zwei Praktika in Betrieben meiner Wahl an, über sieben Wochen. In meinem Beruf als MTA im Krankenhaus konnte ich mal wieder hineinschnuppern. Es war einfach toll, nach so langer Zeit wieder im Labor zu arbeiten. Doch der Krach dort, die Lüftungsanlage über mir, die Geräte und Zentrifugen neben mir, das Geratter von Weckern vor und hinter mir, die Mitarbeiter, die sich über zehn Meter noch unterhalten konnten, das Gesumme und Gebrumme von Kühlschränken, damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet.
Ich wurde nervös. Am liebsten hätte ich meine Geräte aus den Ohren gerissen, denn der Geräuschpegel ließ meinen Tinnitus wieder lauter werden. Mit meinen Geräten verstand ich niemanden so wirklich. Auch dort wieder allgemeine Verunsicherung meinerseits. Diesen Beruf würde ich also auch nicht mehr ausüben können, aus der Traum.
Aber was sollte ich denn jetzt machen??? Umschulung??? Aber ich war doch mit Leib und Seele Laborantin und wollte gar nichts anderes. Wer war denn mein Ansprechpartner, wer verstand mich denn??? (Von Technik für mich als Schwerhörige, davon hatte ich noch nie zuvor gehört).
Endlich war das halbe Jahr um und ich bekam wie die anderen Teilnehmerinnen eine Urkunde für die erfolgreiche Teilnahme am Seminar.
Erfolgreich hat sie dies..., erfolgreich hat sie jenes..., sie kann wieder in den Beruf zurück mit ihrer erfolgreichen Sicht der Dinge…, etc. etc. Erfolgreich hat sie ihr Praktikum absolviert...
Was war ich doch erfolgreich gewesen..., vor allem im Nichtverstehen..., im Schauspielern..., im so Tun, als ob alles Bestens sei..., erfolgreich im Kombinieren ..., ich stehe über den Dingen..., erfolgreich in der Aussage, ich stehe zu meiner Hörschwäche (Ha,Ha), was haben sie nochmal gerade gefragt (Ha,Ha)???????????
Was war ich doch für eine tolle, erfolgreiche Frau...
Aber warum war ich so traurig??? Warum so ausgelaugt, wo ist meine Kraft geblieben??? Ich verstand das erste Mal, dass nicht mein lauter Tinnitus mein Problem ist, sondern die Kommunikationsprobleme wegen der Hörbehinderung. Ich wollte mittendrin sein im Leben und fand mich isoliert irgendwo, aber wo?
In meiner Familie ging das ja noch (dachte ich erfolgreich, welch Irrtum)..., aber draußen in der Berufswelt, oder in großen Gruppen, nein.
Über die Tinnitus-Liga kam ich dann an die Adressen der Deutschen Hörbehinderten Selbsthilfe und von Anne Jung (damaliger Vorstand, die Red.). Seit dem geht es mir wieder richtig gut.
Ich nahm in Bad Berleburg an einem Kommunikationsseminar bei Erika Classen teil und da fühlte mich schnell zu Hause.
- Endlich Menschen, die mich verstehen, weil sie dieselben Probleme haben.
- Endlich Informationen über Möglichkeiten, besser damit umzugehen, und vor allem der Austausch mit anderen bewegte mich sehr.
- Endlich, endlich… keine Lügen mehr erfinden. Ich bin nicht alleine mit meinem Problem, und das gibt mir so viel Kraft zurück.