Betroffene Schwerhörige müssen auch zukünftig gesicherte Versorgung gerichtlich erstreiten
Ich teile diese zuversichtlichen Bewertungen nur bedingt, denn im Ergebnis müssen die betroffenen Hörgeschädigten auch zukünftig in jedem Einzelfall ihre 'ausreichende, zweckmäßige, wirtschaftliche und in der Qualität gesicherte Versorgung' gerichtlich erstreiten. Das kann doch nach den vielen Jahren des Hinhaltens nicht ernsthaft Sinn und Ziel sämtlicher bisheriger Bemühungen gewesen sein! Meine kritischere Sicht der Dinge möchte ich nachfolgend gerne erläutern.
Zunächst einmal ist festzustellen, dass das BVG nur eine Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit des formellen Verfahrens der Festbetragsfestsetzung getroffen hat. Die noch offenen materiellen (inhaltlich-gegenständlichen) Fragen etwa zu den Auswirkungen der Festbetragsfestsetzung auf die Versicherten und Leistungsanbieter, zur Versorgungslage bei den Hilfsmitteln und zur Gruppen- und Festbetragsbildung selbst wurden nicht höchstrichterlich geprüft (Randziffer 102 des BVG-Urteils). Wohl stehen die einschlägigen Rechtsvorschriften über das Verfahren der Festbetragsfestsetzung als ‚Maßnahme des Verwaltungsvollzugs' nach Meinung des BVG mit dem Grundgesetz in Einklang (Randziffern 105, 132) und sind diese auch auslegungsfähig (Randziffer 137), doch unterliegt es der nachgehenden gerichtlichen Kontrolle festzustellen, dass der Festbetrag von den nach § 35 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches (SGB) V hierzu ermächtigten Stellen nicht so niedrig festgesetzt wird, dass eine ausreichende Versorgung der Versicherten durch vertragsgebundene Leistungserbringer nicht mehr gewährleistet ist (Randziffer 147).
Im Klartext bedeutet das nichts anderes, als dass nach wie vor der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen im Benehmen mit den Spitzenverbänden von Leistungsanbietern ermächtigt ist, die Festbeträge und die ihnen zugrunde liegende Gruppeneinteilung für Hörgeräte festzulegen. Die Interessenverbände der Leistungsbezieher müssen lediglich gehört werden. Die Versorgung selbst kann regelhaft über sogenannte Leistungsverträge mit den jeweiligen Anbietern erfolgen, in unserem Fall also mit den Akustikern. Nach Meinung des BVG gilt es dabei aber das sogenannte ‚Sachleistungsprinzip' zu beachten ( Randziffer 144) Hierzu muss grundsätzlich jeder gesetzlich Krankenversicherte die ‚Sachleistung' Hörgerät ohne Eigenleistung beziehen können (Randziffer 146) und sich nicht mit einer ‚Teilkostenerstattung' zufrieden geben (Randziffer 145). Weder Zuzahlungen noch prozentuale Beteiligungen habe der Gesetzgeber insoweit gewollt (Randziffer 146)!
Zudem stellt das BVG fest, dass über regelmäßige Überprüfungen die Festbeträge dem veränderten Marktgeschehen anzupassen sind (Randziffer 115). Nur dadurch könne letztlich bewirkt werden, dass die Versorgung mit ausreichenden, zweckmäßigen und in der Qualität gesicherten Hilfsmitteln als' Sachleistung' gewährleistet ist (Randziffer 147). Dabei sollte den Versicherten das ‚Sachleistungsprinzip' im möglichst preisgünstigen unteren Preissegment erhalten bleiben (Randziffer 146). Im Umkehrschluss heißt das, dass im Kontext mit dem ebenfalls gerichtlich bestätigten Wirtschaftlichkeitsgebot sich demnach das verordnete Hilfsmittel schon von einer billigen, eben nicht qualitativen Versorgung abheben müsste.
Nun sollte man meinen, jetzt wäre endlich die gebotene Klarheit geschaffen. Mitnichten! Denn das BVG zieht sich am Ende wieder auf die Ebene seiner formellen Prüfung zurück, indem es feststellt, dass die (materielle) gerichtliche Kontrolle der Festbetragssetzung geeignet ist, die Rechte der Versicherten zu wahren (Randziffer 148). Was nichts anderes bedeutet, dass weiterhin jeder Versicherte seine Recht aus den gesetzlichen Vorschriften einfordern und einklagen muss! Ich erwähnte es bereits.