Kommunikation lebt von der Rückmeldung
Gleich zu Beginn des Rundganges zeigten wir dem Führer unsere Hörbehinderung an und dass wir auf das Absehen vom Mund angewiesen sind. Wir standen ganz vorne, um bessere Blickkonditionen zu haben, und hielten Blickkontakt zu ihm.
Der Führer sprach ruhig und blickte in unsere Gesichter. Wir merkten, da ist der Brückenpfeiler der Kommunikationsbrücke von der anderen Seite, also des Sprechers. Jetzt galt es, unsere vorhandenen Bausteine wie Konzentration, unsere jeweilige körperliche Verfassung, Mundabsehen, Blickkontakt, Mimik und Gestik einzusetzen, damit die Brücke beständig bleibt. Wir versuchen auch das Zurückzugeben, was bei uns "Zuschauern" ankommt.
Es ging super! Der Mann stellt sich ohne viel Schwierigkeiten auf uns ein und vergaß selten, auf uns Rücksicht zu nehmen. Nach einigen Minuten waren wir hörbehinderte Frauen erstaunt, warum die Kommunikation so einfach lief. Woanders ging es längst nicht so glatt. Selbst in der eigenen Familie oder im Freundeskreis ist das oft nicht so. Unser Gefühl war, als steuerten wir Zuhörer den Sprecher und nicht umgekehrt. Es war wie ein eingespieltes Team, aber hatten wir doch vorher hierzu keine Gelegenheit. Wie kommt das denn?
Der Sprecher hat sich rasch an uns Hörbehinderte Zuhörer gewöhnt. Sicher spielt seine innere Einstellung eine große Rolle. Er wollte bestimmt, dass wir auch etwas mitbekommen. Und noch mehr, dass wir verstehen, welch unglaubliche Zahlen in Metern und Geld gerechnet, dieses riesige Bauwerk verschlungen hat. Zum Beispiel die Kabel, die hier verlegt wurden, deren Länge drei mal den Erdumfang misst. Wieviel Kubikmeter Wasser die Wasserturbine in der Minute umwälzt usw. Das sind - auch für den Laien unglaubliche Zahlen - und Mengenverhältnisse. Der Führer machte das anhand von Gesten im Vergleich mit anderen Bauwerken, z. B. dem Kölner Dom, verständlich. Das gesamte Atomkraftwerk hat Geldsummen in Milliardenhöhe verschlungen. Gestapelt in 1000 DM Scheinen erreicht diese Summe die Höhe des Kölner Doms!
Die Kommunikationsbrücke:
- Seine Kommunikation war ausgesprochen lebendig und anschaulich. Er setzte seine ganze Körpersprache ein, beschieb mit den Händen Formen und Zahlen. Das war für uns eine große Erleichterung zum Absehen.
- Und wir gaben ihm ab und zu das Feedback, wiederholten das Wort oder gaben ihm unsere Mimik zum Ausdruck (z.B. Staunen, Kopfschütteln etc.)
- Darauf ging er wieder ein, indem er wiederholte, eine Pause machte usw. Das wirkte sich positiv auf uns aus und wir hatten das Gefühl, dass wir "verstanden" wurden.
Die Kommunikationsbrücke, darin sind wir beiden Schwerhörigen uns einig, stand zwischen uns und dem Sprecher und stellte diesen zwischenmenschlichen Austausch dar. Ohne diese Brücke wären wir an der Kommunikation regelrecht "verhungert". Denn uns ist klar, dass sie nicht entstanden wäre, hätten wir nur unsere eigenen Mittel wie unsere gesamten physischen Kräfte, Ausdauer und Erfahrungen usw. eingesetzt. Eine Brücke muss von zwei Seiten gebaut werden. Wir haben es dem Engagement des Führers zu verdanken, dass wir soviel verstehen konnten.