Artikel aus FORUM 15, Juni 2001 , Seite 11 ff

Hier beschreibt die Autorin die praktische Umsetzung der "Kommunikationsbrücke" bei der Besichtigung eines stillgelegten Atomkraftwerks. Tipps und positive Erfahrungen, wie auch ein hörbehinderter Mensch gut an einer Führung teilnehmen kann.

Kommunikationsabenteuer im "schnellen Brüter"

von Angela Ringeler, München

Ein Besuch in das Innere eines Atomkraftwerks, auch schneller Brüter genannt, kann für den Technikinteressierten oder Science-Fiction-Begeisterten zu einem unvergesslichen Erlebnis werden. Aber auch für zwei schwerhörige Frauen! Wir sprechen heute noch davon und können in Zukunft nur noch "vom schnellen Brüter" träumen.

An dieser Stelle sei erwähnt, dass uns weder das besondere Interesse an diesem gewaltigen Bauwerk des industriellen Atomzeitalters im Vordergrund gestanden hat. Noch wollen wir es den Gruppen von Atomkraftgegenern gleichtun, die derzeit durch den Castortransport in den Medienrummel kommen. Also warum die Begeisterung für so ein brisantes Bauwerk, das kurz vor Inbetriebnahme abgeschaltet wurde und heute zu einem Freitzeitpark ausgebaut wird? Die Antwort lautet: der Stoff, aus dem "Kommunikationsträume" wahr werden. Kommunikationsträume werden Wirklichkeit bei einer Besichtigungstour im Schnellen Brüter, so könnte man es auch nennen.

Es war an einem verlängerten Wochenende, an dem ich von Süddeutschland nach Nordrhein-Westfalen mit dem Zug fuhr, um mich dort mit einer schwerhörigen Bekannten zu treffen. Wir wohnen 700 Kilometer auseinander. Aber Schwerhörige sind dafür bekannt, dass sie Brücken schlagen. Nicht nur in der Kommunikation, sondern auch um zwischenmenschliche Beziehungen zu pflegen. Das ist für uns Schwerhörige um so wichtiger, da unser Bekanntenkreis wegen unserer Hörschädigung eingeschränkt ist. Da fährt man gern weite Strecken, um ein schönes Wochenende unter Gleichgesinnten zu erleben.

An diesem Wochenende beschlossen wir, etwas in der Umgebung anzusehen. Das Wetter war nicht besonders warm, es pfiff ein kalter Wind. Der Vorschlag "Kalkar" zum Atomkraftwerk fiel so nebenbei. Keiner von uns mochte zuerst so recht dahin fahren und die Besichtigung eines abbruchreifen schnellen Brüters, des stillgelegten Atomkraftwerks, versprach keine besonders schöne Atmosphäre. Trotzdem fuhren wir hin, wir waren neugierig geworden.

Bekannt war, dass man dort eine Gruppenführung mitmachen kann inklusive Kaffeetrinken und Kuchenessen. Bestimmt war so eine Führung interessant. Eine Leseinformation für Hörbehinderte gab es nicht, geschweige denn Prospekte. Nur in niederländischer Sprache. Wir überlegten, wie wir es anstellen, dem Führer unsere starke Hörbehinderung zu erklären. Wir wussten, dass wir nicht alles verstehen würden, aber das hielt uns nicht von der Führung ab. Vielmehr wollten wir unsere Augen umherschweifen lassen und das Bauwerk ansehen.

Wir hatten Glück: weil die Gruppe so groß war, wurde sie in zwei Gruppen geteilt. Der Führer, der mit uns ging, hatte von vornherein die "besseren Kommunikationskarten", was die Sprechweise und das Verhalten betraf. Es ging alles sehr schnell, weil nur zwei Stunden Zeit zur Verfügung standen. Die Führung selbst sollte eine Dreiviertelstunde dauern. Wir ahnten, dass unsere Energie zum Absehen bis zum Ende erschöpft sein wird. Das wollten wir uns nicht antun. Wir stellten uns auf einen Rundgang ohne viel Kommunikationstaktik ein und auf den Kaffee im Finale. Wir hatten ja Urlaub, was ja heißt entspannt zu sein und auch so wieder nach Hause zu kommen.

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