Also sprach alles für ein interessantes Wochenende, auf das ich mich freute. Am Samstag morgen ging's los:
LEBEN IST EINSAM-SEIN..
..war unser Thema; ich gestehe, dass ich mit diesem Satz (auch in Bezug zum Gedicht von Hermann Hesse) meine Schwierigkeiten hatte: diese Aussage ist für mich sehr absolut. Ich konnte ihr schlicht und ergreifend so "eindimensional" nicht zustimmen; ich war neugierig auf die Behandlung und vor allen Dingen auf die Ansichten der anderen Teilnehmer.
Wie "geht" Einsamkeit - wenn man sich in einer munteren Runde mit rund 40 freundlichen und zugewandten Menschen weiß?!
Wer nicht HÖREN kann, muss FÜHLEN, deshalb wurden wir zur Einstimmung zuerst einmal auf eine kleine Entdeckungsreise durch den Seminarraum und in unser Innenleben geschickt. Unsere einzige Aufgabe war...
Spüren was Du fühlst, wenn Du beim Umherlaufen im Raum ...
- ... nur auf den Boden schauen darfst (war mir sehr ungewohnt und ich fühlte mich unbehaglich)
- ... nur auf die Schuhe gucken darfst (habe sogar ein paar Schuhe wiedererkannt ... :)
- ... wenn Du die anderen Menschen in der Runde nur neutral (!?) anschauen darfst (Erika hat gelacht - ich fand's gar nicht lustig ... irgendwie künstlich)
- ... die anderen Menschen anlächeln darfst (das war schön und die Stimmung im Raum stieg spürbar ...)
- ... eine asiatische Begrüßung nachahmen darfst = Verbeugen vor dem Anderen (ist nicht mein Ding, ich war ganz steif, mag nicht "dienern/mich verbiegen).
- ... den Anderen zur Begrüßung berühren darfst ... (dabei fühlte ich mich am wohlsten und auch bei den Anderen entstand "freundliche Betriebsamkeit"...)
Das Ende jeder Sequenz wurde durch Aus- und Anschalten des Lichtes signalisiert. Nach der letzten Übung dauerte es (wohl absichtlich?!) sehr lange, bis das Licht wieder anging: im Dunkeln erstarb schnell jedes Gespräch. Die Kontakte blieben sprichwörtlich in der Luft hängen. Ein Gemurmel wie "Singen im Wald", viele schauten sich unsicher um, hielten sich an den Stühlen fest. Jeder war mit sich allein.
Einsamkeit wurde für einen Augenblick tatsächlich begreifbar.
Unter diesem Eindruck fiel es nicht schwer, anschließend ein paar Aussagen zu finden zum Begriff der Einsamkeit im allgemeinen und unter Berücksichtigung einer Hörbehinderung: für mich - und wie ich den Metaplankärtchen meiner Mitstreiter entnahm - auch für sie, kann Einsamkeit sowohl positiv besetzt sein (Chance zur Ruhe und zum Kraft schöpfen) und natürlich auch negativ empfunden werden (Angst machen, Hilflosigkeit und Unsicherheit erzeugen); im Zusammenhang mit einer Hörbehinderung kommt dann noch sehr schnell das Gefühl von Ausgrenzung und Ausgeschlossenheit dazu, das wir alle schon oft erlebt haben.
Als echtes Highlight unseres Zusammenseins habe ich die beiden anschließenden Referate von Eva Sommer und Irmgard Schauffler empfunden, die sich - jede auf ihre Art - mit dem Tagungsthema beschäftigt haben und uns sehr überzeugend an ihren Gedanken teilhaben ließen.
Ungeduldig warte ich schon jetzt auf den Tagungsbericht, der - Erika hat's versprochen - auch den Originaltext dieser beiden Vorträge enthalten wird; ich möchte gerne die vielen, sicher nicht nur mir aus dem Herzen gesprochenen, schönen Denkansätze unbedingt noch einmal in Ruhe nachlesen. Ich werde sie ganze sicher auch in meinem guthörenden Freundeskreis anbieten: Lebenshilfe PUR. Mit und ohne Behinderung (DANKE noch einmal an die beiden...)
Während Evas Worte ohne Umwege eine Punktlandung mitten in meinem Bauch gemacht haben, hat mich der nach meinem Empfinden etwas "handfestere" Vortrag von Irma noch aus einem anderen Grund eher im Kopf gepackt: sie beschrieb u.a. einen Briefwechsel mit einer Psychologin/Autorin (Frau Wolf), deren Arbeitsgrundlagen mir früher schon einmal begegnet waren: dass mir die in einem ganz anderen Zusammenhang kennen gelernte Grundüberzeugung ("Gedanken lösen Gefühle aus") nun heute bei der Behandlung von Einsamkeit und Hörbehinderung wiederbegegnet, zeigt mir wieder einmal, dass es im Leben keine Zufälle gibt. ... Gut so.