Forum 59, Sommer 2023: Ein PORTAL-Thema zum Weiterdiskutieren
Zusammengestellt von Uta Lapp-Hirschfelder
Pressemitteilung Berlin 26.01.2023: „Versicherte der Ersatzkassen (TK, BARMER, DAK-Gesundheit, KKH, hkk und HEK) erhalten seit 1. Januar 2023 eine bessere Versorgung mit Hörgeräten. Das ist Inhalt eines Vertrages, den der Verband der Ersatzkassen e.V. (vdek) mit der Bundesinnung der Hörakustiker (biha) abgeschlossen hat.“
Die Verunsicherung scheint groß, keiner der betroffenen Hörgeräteträger wusste davon. Im PORTAL, dem Forum der DHS, besteht die Möglichkeit, sich auszutauschen. Einige Beiträge sind hier mit Erlaubnis der Verfasser nachzulesen.
„Krankenkassen zahlen keine Hörgeräte mehr“ (?)
B.: Ich war heute bei der Krankenkasse und fragte nach, wie es mit einer neuen Versorgung mit meinem Hörgerät links aussieht. Mein Gerät müsste nämlich zur Reparatur, aber im August sind die sechs Jahre rum und ich strebe daher eher eine Neuversorgung an. Beim Akustiker erhielt ich aber die Information, dass derzeit neue Verträge mit den Krankenkassen geschlossen wurden und die dann eher dazu neigen, eine Bewilligung abzulehnen. Also, bei der BARMER habe ich erfahren, dass die sechs Jahre ab diesem Jahr abgeschafft wurden. Viele Betroffene könnten auch nach sechs Jahren noch die alten Geräte weitertragen. Das mag ja sein, aber ich möchte doch von der neuen Technik profitieren. Heutige Hörgeräte, auch manche Kassengeräte, haben Bluetooth und das hilft ja beim Telefonieren mit dem Handy.
U.: Auch mir entfuhr ein Aufschrei, als ich Ende letzten Jahres las, dass die Krankenkassen immer häufiger die Wiederversorgung nach Ablauf der sechs Jahre verweigern. Auf sechs Jahre wurde sich irgendwann mal geeinigt, weil die ursprünglich ausgegebenen Systeme danach nicht mehr dem aktuellen Stand der Technik entsprechen. Und jetzt wird genau entgegengesetzt argumentiert: Durch den technischen Fortschritt halten die Hörgeräte deutlich länger...
Eine Empfehlung oder ein Gesetz gibt es meines Wissens aber (noch) nicht. Persönlich denke ich, dass in letzter Instanz der HNO-Arzt ein Wörtchen mitzureden hat. Natürlich gibt es auch Ausnahmen. Warum ein neues HG, wenn das vorherige noch OK ist. (Ich habe zwei Hörsysteme auch länger als sechs Jahre getragen, das letzte sogar zehn Jahre.)
M.: Nach meinen Infos ist es tatsächlich so, dass seit Jahresbeginn die „Sechs-Jahres-Frist" grundsätzlich aufgeweicht wurde. Argumentiert wird damit, dass die modernen, Chip-basierten Hörhilfen, softwaremäßig soweit ausgereizt sind, dass Hörverbesserungen kaum mehr erreicht und die Geräte länger genutzt werden können. Komplementär dazu werden aber neu jährliche Reparatur-Pauschalen eingeführt, weil ja nur noch die Hardware ausgetauscht bzw. repariert werden muss, also ggf. Chips, Gehäuse, Mikrofone pp. Neue Hörgeräte gibt es dann nur noch bei nachweisbaren signifikanten Hörverschlechterungen mit entsprechender Indikation und fachärztlicher Verordnung. Scheint tatsächlich so, als hätten sich Gesundschrumpfungs-Fanatiker und Hörtechnik-Lobby einmal mehr über berechtigte Interessen von Betroffenen hinweggesetzt.
Chr.: Mit den Schlagworten Versorgung der Ersatzkassenversicherten mit Hörhilfen sollte eure Suchmaschine euch mit einem der ersten Einträge zur Website des VdEK führen, auf der das Vertragswerk nachzulesen ist. Für mich ist es schon lange befremdlich, dass Krankenkassen und Akustiker ohne Beteiligung der Betroffenen Verträge abschließen. Darüber hinaus erschließt sich mir aber auch nicht, warum Verbände wie DSB, DHS etc. und deren Dachverband, die DG (Deutsche Gesellschaft der Hörbehinderten - Selbsthilfe und Fachverbände e.V.) hier nicht intervenieren ... zumindest hört und liest man darüber nichts ... dabei wäre das ja wohl die beste Werbung für ihre Arbeit. Ich setze da große Hoffnungen in den gerade gegründeten neuen Dachverband, den DHV (Deutscher Hörverband).
B.: Ich habe von meiner Krankenkasse folgende Email erhalten, also Zitat: "… auch nach Ablauf der 6-jährigen Versorgungspauschale erfolgt eine Neuversorgung ausschließlich, wenn die vorhandenen Hörgeräte den bisherigen Hörverlust medizinisch nicht mehr ausgleichen können. Der Ablauf der Versorgungspauschale stellt keinen Grund für eine neue Versorgung mit Hörgeräten dar. Auch nach Ablauf der Versorgungspauschale nach 6 Jahren ist es Ihrem Hörakustiker weiterhin möglich, nach einem Hörtest eine Anpassung auf den aktuellen Bedarf vorzunehmen. Wird nach Prüfung und Beratung eine Reparatur oder z.B. eine neue Otoplastik erforderlich, kann Ihr Hörakustiker dies im Rahmen einer jährlichen Service- und Reparaturpauschale geltend machen."
K.: In der Zeitschrift „Spektrum Hören“ ist auf der Seite 22 Ausgabe 1/2023 zu lesen: "Die Bundesinnung der Hörakustiker und der Verband der Ersatzkassen, dazu zählen die Technikerkrankenkasse, die Barmer, die DAK, die Kaufmännische Krankenkasse sowie die Hanseatische Krankenkasse, haben einen neuen Rahmenvertrag geschlossen. Das Vertragswerk, das erst nach einem monatelangen Schiedsverfahren entstanden ist, wurde zum 1.1.2023 gültig. Dabei wurde die Versorgungspauschale angehoben und beinhaltet die Vereinbarung auch erstmalig Service- und Reparaturpauschalen, die über eine Versorgungsdauer von sechs Jahren hinausgehen. Die Vertragsmindestlaufzeit beträgt zwei Jahre." Ich habe zudem anderweitig einen Artikel gefunden, wonach in einem Zeitraum von drei Jahren die Kosten für die Hörgeräte um 50 % gestiegen sind. Daher haben wohl die Krankenkassen versucht die Kosten zu drücken. Leider kann man als Patient bei diesen Vereinbarungen nicht mitsprechen; auch unsere Lobbyverbände nicht.
Chr.: Die DHS mag als kleiner Verband da nicht viel ausrichten können. Aber einen Stein ins Rollen bringen ... über den Dachverband, die DG, die weiteren Verbände ins Boot holen ... an die Öffentlichkeit gehen ... das wäre mein Wunsch. Ein weiterer Wunsch von mir wäre, dass die DHS zur noch besseren Vernetzung sich dem DHV anschließt.
Fazit:
Die leidige Diskussion um eine angemessene und vor allem kostengerechte Hörgeräteversorgung für betroffene Menschen ist leider noch längst nicht abgeschlossen. Der Aufschrei muss von vielen kommen. Laut Vertrag haben die Krankenkassen die bestmögliche Versorgung für den Hörgeräteträger bis auf die Eigenbeteiligung kostenfrei zu übernehmen. Akustiker sind hier deutlich gefordert, ansonsten gilt § 3 aus dem Anhang 1 des Vertrags, wo es unter Punkt 12 heißt: „Verfügt der Leistungserbringer über kein geeignetes weiteres Hörsystem in seinem Sortiment, ist das vergleichend angepasste mehrkostenpflichtige Hörsystem zum Vertragspreis abzugeben.“ Überhaupt lohnt es sich, den Vertrag (50 Seiten!) mal richtig zu lesen. Es gibt unheimlich viele Hinwiese, was den Festbetrag betrifft und der Akustiker dem Kunden dann eben NICHT in Rechnung stellen darf. Da werden wohl derzeit etliche Kunden gnadenlos über den Tisch gezogen. Es empfiehlt sich also, sich vor einer aktuellen Hörversorgung oder Hörtechnik-Reparatur umfassend zu informieren!