Forum 54, Winter 2020: Recht und Soziales
Beitrag von M. G.
Die Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) ist eine bundeseinheitliche Rechtsverordnung, die die im Sozialgesetzbuch IX festgelegten Rechte zur Rehabilitation und Teilhabe behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen ergänzt und näher ausgestaltet. Die VersMedV löste zum 1. Januar 2009 die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) ab.
Ein wesentlicher Aspekt dieser Verordnung ist die Festlegung von Regeln, mit denen der Grad der Behinderung (GdB) eines Menschen gutachterlich einvernehmlich festgestellt wird. Hierzu sind in einer Anlage der VersMedV sogenannte „Versorgungsmedizinischen Grundsätze" definiert, die zur Änderung anstehen.
Hierzu gibt es einen aktuellen Verordnungsentwurf des Bundesministers für Arbeit und Soziales, der derzeit mit den Sozial- und Betroffenenverbänden und den Gewerkschaften diskutiert wird. Laut Ministerium sind Änderungen geboten, um die bisher unterschiedlichen Standards aus dem Entschädigungs- und Schwerbehindertenrecht zu vereinheitlichen, eine Anpassung an internationale Klassifikationen zu ermöglichen sowie bei den gebotenen Nachteilsausgleichen den Aspekt von medizintechnischen und medizinischen Fortschritten bei Heil- und Hilfsmitteln zukünftig stärker zu gewichten.
Vor diesem Hintergrund sind im Wesentlichen nachfolgende einschneidende Änderungen geplant:
- Grundlage der neuen Begutachtung ist das „bestmögliche Behandlungsergebnis“,
- GdB-Bescheide sollen dann wieder mehr befristet werden,
- bisherige GdB-Feststellungen (Bestandsfälle) könnten einer Überprüfung nach den neuen Gutachterregeln unterzogen werden,
- bei Krebserkrankungen soll die bisherige pauschale GdB-Anerkennung von GdB 50 mit einer Heilungsbewährung bis zu 5 Jahren auf ein neues, individuelleres System umgestellt werden,
- bei der künftigen Begutachtung sollen auch Nutzen und Wirkung von Heil-und Hilfsmitteln mit einfließen, wenn diese Teilhabeeinschränkungen so weit ausgleichen, dass der bisherige GdB dann u.U. herabzustufen wäre,
- bei der Feststellung des Gesamt-GdB sollen fortan leichtere gesundheitliche Einschränkungen bis zu einem GdB 20 nur noch in Ausnahmefällen einfließen.
Die Diskussion zum Änderungsentwurf ist noch nicht abgeschlossen. Schlimmstenfalls betreffen daraus resultierende Verschärfungen auch uns „Schlappohren“, wenn zukünftig ein mutmaßlich nutzbringender Teilhabeausgleich von Hörgeräten und anderen Hörprothesen für die gutachterliche Bewertung vorgegeben wird. Nur, wie lässt sich überhaupt objektiv eine Hörverbesserung gerecht feststellen, wo doch eigentlich jeder Hörschaden individuell anders ist und selbst die beste Hörprothese niemals ein gesundes Gehör auch nur annähernd ausgleichen kann. Dann ist da noch die Tatsache, dass beim Ausfall einer Hörhilfe, jede pathologische Hörstörung voll zum Tragen kommt mit all ihren Beschränkungen in der allgemeinen und zwischenmenschlichen Kommunikation!
Damit die Rechte von uns Betroffenen nicht außer Acht gelassen werden, haben sich die Deutsche Gesellschaft für Hörbehinderte und andere Interessenvertretungen für Menschen mit Höreinschränkungen bereits in die laufende Diskussion um die VersMedV eingebracht und es ist zu hoffen, dass deren Argumente gebührend berücksichtigt werden.