Kurzreport vom RUNDEN TISCH SHG 2008 und den Ergebnissen der Kleingruppenarbeit FORUM 29/30
RUNDER TISCH SHG und Supervision für Gruppensprecher
Mit Unterstützung der Helios-Klinik „Am Stiftsberg“ haben wir wieder beste Arbeitsbedingungen für unseren Austausch auf SHG-Ebene angetroffen; mit zwölf Teilnehmern ist unser Angebot zum RUNDEN TISCH SHG sehr gut aufgenommen worden, und drei neue Gruppensprecher bereicherten unseren Austausch.
Alle SHG-Sprecher kamen in ausführlichen Selbstdarstellung zu Wort, wobei sowohl persönliche Bilder als auch Informationen über die Gruppe und ihre Arbeit auf den TISCH kamen.
Die momentan etwas belastende Situation mit der ungeklärten Selbsthilfeförderung wurde besprochen, und Tipps aus der Praxis für die Praxis gingen hin und her.
Da war am Ende die Zeit dann etwas knapp für unseren Plan, die SHG-Studie "Hören" von Herrn Dr. Koch-Bode für die SHG-Arbeit auszuwerten. Dennoch haben wir hier einiges erarbeitet.
SHG-Studie „Hören“ - wir machen was daraus!
Unter diesem Motto haben wir uns am „RUNDEN TISCH SHG“ im Mai in Bad Grönenbach mit der Studie von Dr. Koch-Bode beschäftigt.
Über die Ergebnisse dieser Gemeinschaftsarbeit darf ich Euch hier berichten und möchte mich zunächst einmal bei den Mitstreitern „am Tisch“ bedanken für ihre engagierte Mitarbeit: Regina Klein-Hitpass, Margit Gamberoni, Thomas Kluck, Sonja Renken, Elke Kraft, Erika Kläner, Ella von Briel, Anneliese Mayer, Ursula Schulze, Karola Bittner und Rainer Schertler.
Aus dem in FORUM 29 veröffentlichten Texten hatte ich als Arbeitsgrundlage folgende Teilergebnisse der Studie herausgegriffen und mit einer Frage versehen zur Diskussion gestellt:
1. Chance auf Kontakt zu Gleichbetroffenen
Wie stellt die SHG sicher, dass Kontakt mit der SHG möglich wird ?
2. Beweggrund: Problembewältigung
Wie geht das in Eurer SHG? Wie könnte es evtl. auch anders gehen?
3. Erfahrungen aufnehmen und geben
„Produktive Kommunikation“ - was ist das für Euch?
4. Selbstdarstellung
Welchen Raum geben wir anderen in der Gruppe? Wo setzen wir Grenzen?
5. Themenkatalog für die SHG
Unsere Ideen
Die Teilnehmer wählten die Fragen zu den Punkten 2. Problembewältigung, 4. Selbstdarstellung und 5. Themenkatalog zur Bearbeitung in Kleingruppen und hier sind die Ergebnisse:
PROBLEMBEWÄLTIGUNG – WAS MACHEN WIR DA?
(erarbeitet von Regina, Ella und Anneliese)
A) Problem in „Scheiben“ schneiden
- Sich öffentlich „outen“ als Schwerhörige(r)
- Verstehen und sich verstanden fühlen – gegenseitige Rücksichtnahme
- Angenommen werden, so wie man ist – Akzeptanz untereinander
- Ballast abwerfen – über die Probleme reden können in der Gruppe ist befreiend
- Neues Selbstvertrauen finden
- Neue Kommunikationsform finden
B) Spiegelbild – (Selbst)-Reflexion
- Bewusstheit, nicht allein zu sein mit dem Problem
- Erkennen der eigenen Stärken (trotz Behinderung) und JA zu den Schwächen
- Ressourcen erkennen und für besseren Umgang mit Schwerhörigkeit nutzen
C) in der Gruppe
- Alle mitnehmen und sich am schwächsten Mitglied (Hörstatus) orientieren
- Festlegen: wie gehen wir miteinander um? Regeln aufstellen.
- Blitzlicht am Anfang bzw. Ende der Stunde: persönliches Befinden bzw. Erleben der Stunde
SELBSTDARSTELLUNG – WELCHEN RAUM GEBEN WIIR ANDEREN IN DER GRUPPEN?
(erarbeitet von Elke, Sonja und Thomas)
A) Was ist für uns Selbstdarstellung? (SD)
- Mit Selbstdarstellung (SD) ist persönliche Selbstdarstellung eines jeden Gruppenmitglieds gemeint, so wie es Koch-Bode versteht (Etablierung eines bestimmten Selbstbildes, soziale Rolle, etc.).
- SD ist ein grundlegender Baustein des Selbstwertgefühls jedes Individuums.Zur SD in der Gruppe gehört, das bei Schwerhörigen typische „Versteckspiel“ zu vermeiden.
- SD wird zu einem guten Teil aus Egoismus gespeist.
B) Wie lassen wir SD in der Gruppe zu?
- „Wohlfühlklima“ schaffen: Technische Voraussetzungen schaffen (Induktions- oder FM-Anlage), räumliche Voraussetzungen schaffen (Räume ohne Echo Hall ist „tödlich“ für Gruppenarbeit, kann nur zum Teil durch gute Technik ausgeglichen werden).
- Der Gruppenleiter sollte im Zweifelsfall (z.B. bei Zeitdruck) sich selbst heraus nehmen und seine Belange zurückstellen: Raum schaffen für andere!
- Der Mensch soll so gesehen, angenommen und akzeptiert werden, wie er ist.
- Gesagtes wird nicht einfach im Raum stehen gelassen. Eine Rückmeldung in Form einer Antwort (auch Kritik) ist wichtig. Der Betreffende sollte das Gefühl haben, ernst genommen zu werden. Auch Kritik zeigt dem Selbstdarstellenden, dass man sich mit ihm beschäftigt.
- SD kann nur gelingen im Zusammenhang mit Rückmeldung, egal ob positiv oder negativ; ohne Feedback ist Selbstdarstellung sinnlos und verletzend.
- Neues sollte unvoreingenommen akzeptiert werden, ebenso unterschiedliche Meinungen. Dadurch gibt man anderen Raum. Akzeptieren heißt nicht unbedingt Zustimmung, sondern ist Bestätigung, den anderen in seinem „So-Sein“ zu sehen.
- Hiermit verbunden ist natürlich direkt die Anerkennung des anderen, unabhängig davon, ob wir die Meinung teilen oder nicht. Nur wer anerkannt wird, kann sich wohlfühlen und kommt wieder.
C) Wo setzen wir Grenzen für die Selbstdarstellung?
- Wenn jemand (wie Anne eben so schön formulierte..) in seiner SD zur Hochform aufläuft. Hier, wie auch im Fall von starkem Egoismus, muss der Sprecher oder ein anderes Gruppenmitglied Grenzen setzen, um die anderen zu „schützen“, d.h. ihnen ebenfalls Raum zur SD zu geben.
- Gehörlose in der Gruppe, die sich mittels DGS unterhalten, können eine Überforderung in einer Gruppe mit Schwerhörigen sein. Eine SHG ist grundsätzlich offen, muss aber Neuzugängen auch die eigenen Grenzen offenbaren, z.B. dass mit Technik, LBG und Sprache kommuniziert wird. Außerhalb dieses Rahmens, den sich die Gruppe setzt, ist kein Platz für SD.
- Ausufernde Ausführungen und endlose Reden, selbst wenn sie wichtig für den gerade Redenden erscheinen, müssen in Grenzer gewiesen werden, um den
Raum auch für andere zu haben.
D) Unser Resumée
- Weil Selbstdarstellung (SD) so stark an die Identifikation und das Selbstwertgefühl des Einzelnen gebunden ist, erfordert es besonderes Fingerspitzengefühl, zu entscheiden, was man zulässt und wo man abbricht. So kann es u. U. im Gegensatz zu oben Gesagtem durchaus sinnvoll sein, selbst „Arien“ in epischer Breite zuzulassen, wenn die Gruppe damit einverstanden ist.
- Selbstdarstellung (SD) durchzieht fest die gesamte Gruppenarbeit, jeder Versuch eines Redebeitrages kann als SD gewertet werden, mit dem der Betreffende seine Rolle und sein Selbstverständnis in der Gruppe ausloten möchte. SD beschränkt sich allerdings nicht allein auf verbale Kommunikation.
THEMENKATALOG FÜR DIE SHGS – UNSERE IDEEN
(erarbeitet von Margit, Ursula, Karola und Rainer)
- Medizinisch-technische Aufklärung:
Arzt und /oder Hörgeräte-Akustiker einladen, Logopädin; Audiotherapeutin; Hörtraining und Absehkurse organisieren - Arbeitsrecht:
Fragen an Integrationsamt, Krankenkasse, Partitätischer Wohlfahrtsverband; wie beantrage ich eine Reha; Umgang mit Rententräger; - Psycho-soziale Arbeit:
Kommunikationsmodelle vorstellen (Psychologin, Jochen Müller (BG), Olaf Biemann und Lorenz Lange (RD); Reha-Einrichtungen stellen sich vor; Selbstbewusstsein / Identitätsprobleme thematisieren; Beispiele und Themen aus dem DHS-FORUM, Angebote für Paare (guthörend/schwerhörig); Fachliteratur auswerten (z.B. „Wieder besser Hören“ von der Stiftung Warentest : von der SHG kaufen und jedes SHG-Mitglied bearbeitet nach und nach 1 Kapitel) - Freizeit:
Wanderung, Ausfahrten per Rad, Kegeln, Geburtstagsfeier, Weihnachtsfeier, Sommer-/Grillfest, Stadtführung, - „kein Themen“-Tag:
freier Raum für „eigenes Thema“ jedes Gruppenmitglieds und Erfahrungsaustausch; wichtig: Raum geben – sich selbst einzubringen.
Vielleicht ist hier auch die eine oder andere Anregung für eure SHG-Arbeit dabei – dann hätte sich unsere Arbeit doppelt gelohnt!!
Viel Erfolg beim Ausprobieren und Aufspüren von weiteren Möglichkeiten!
Bericht und Fotos: Anne Jung
Kurzreport (PDF-Dokument) vom RUNDEN TISCH SHG 2008 aus dem Forum 29 / 30