Kommunikationsstörungen und daraus erwachsene Probleme im Berufsleben gehören zur Lebenswirklichkeit von schwerhörigen Menschen und haben die verschiedensten Ursachen, technische, betriebsorganisatorische, zwischenmenschliche, persönliche u. a. m.
Während sich die beiden ersteren Hemmnisse bei gutem Willen aller Betroffenen in der Regel schnell und unkompliziert regeln lassen, stellen sich allseits befriedigende Lösungen auf mitmenschlicher Ebene eher schwerer ein. Das ist nicht ungewöhnlich, ist dies doch in der unterschiedlichsten Natur der Menschen angelegt. Die grundsätzlich vorhandene Bereitschaft, sich im Konfliktfall aufeinander zuzubewegen hat jedoch Grenzen. Dies gilt speziell in einem harten Berufsalltag, in dem Karrierestreben, Konkurrenzdenken, unbedingter Erfolgswille und erbarmungslose Gewinnmaximierung vorherrschen. Rücksichtnahme auf gesundheitliche Einschränkungen sind in einem solchen Arbeitsmilieu erwiesenermaßen kaum vorgesehen.
Vor allem Höreinschränkungen führen am Arbeitsplatz schnell zu Kommunikationsmissverständnissen, die einer erfolgreichen Berufsausübung entgegenstehen. Dabei können Arbeitgeber, Vorgesetzte und Kollegen eigentlich selten einschätzen, ob vermeintlich fehlende bzw. mangelnde Arbeitsergebnisse in persönlichem oder leistungsmäßigem Unvermögen begründet sind. Wie sollten sie das auch können...?! Schließlich haben (wir) Menschen mit Höreinschränkungen nicht selten die Tendenz, unser Hörhandicap eher zu verleugnen denn zu offenbaren, besonders im Arbeitsumfeld. Nicht grundlos, denn Hördefizite könnten uns als Schwäche ausgelegt werden mit möglichen Rückschlüssen auf eine volle Arbeitsbefähigung. Hinzu kommt, dass Höreinschränkungen für Andere nicht gleich erkennbar sind. Viele Mitmenschen verstehen auch nicht, dass Betroffene immer noch schlecht hören, obwohl sichtbar Hörhilfen getragen werden. Ferner wird nicht nur gerne das Hörhandicap verheimlicht, sondern auch die Hörhilfe. Soweit eine Hörprothese nicht schon schamhaft unter den Haaren verborgen ist, gilt hier gerne das werbetragende Motto, je kleiner desto besser...
Vor diesem sensiblen Hintergrund sind betroffene Arbeitnehmer gut beraten, ihre Arbeitskraft und fachlichen Potenziale durch die Nutzung von Unterstützungsangeboten, Arbeits- und Hilfsmitteln sinnvoll abzusichern und mit ihrem Hörhandicap möglichst offen umzugehen. Dabei gilt es durchaus, begründete Vorbehalte und Nachteile gründlich gegeneinander abzuwägen. Andererseits zeigt die Erfahrung, je verständlicher und klarer ich meine Hörprobleme und die damit verbundenen Kommunikationsbedürfnisse kommuniziere, desto besser können sich Kollegen und Vorgesetzte auf eine reibungslose Zusammenarbeit mit mir einlassen, wird vermeintliche Schwäche zum Gewinn, auch für den Betrieb.
Welche vermittelnden Unterstützungsmöglichkeiten sind hier denkbar?
außerbetrieblich
- Beratungsangebote der Agenturen für Arbeit, Abteilung Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen
- Berufsgenossenschaftliche Unterstützung
- Kontaktaufnahme zu Integrationsämtern und deren beratende Ingenieure
innerbetrieblich
- Hinwendung an Betriebsärzte, Betriebsräte, Vertrauensleute der Gewerkschaften
- Einschaltung betrieblicher Schwerbehindertenvertretungen, ggf. Inklusionsbeauftragte, bzw. Moderatoren
- Betriebliche Wiedereingliederungsmaßnahmen (BEM)
Welche Arbeits- und Hilfsmittel können bei Höreinschränkungen hilfreich sein?
- Hörgeräte, Hörimplantate
- zusätzliche individuelle Kommunikationshilfen je nach Bedarf induktiv, funkbasierend oder Bluetooth-fähig
- hörbehindertengerechte, schallschluckende Arbeitsplatz- bzw. Raumlösungen
- Nutzung von digitalen Unterstützungshilfen und Softwarelösungen, speziell auch für die Visualisierung von Spracherkennung
- Unterstützung durch Gebärden- oder Schriftdolmetscher
- ggf. Informationsmaterialien für Kollegen, Vorgesetzte, z. B. "Leitfaden barrierefrei hören und kommunizieren in der Arbeitswelt" (hoerkomm.de)
Info-Materialien für eine gewinnbringende Kommunikation mit Kollegen/Vorgesetzten
(mit freundlicher Unterstützung des Projektes www.hoerkomm.de)
Gute Tipps für gutes Hören
Verstehen Sie manches nicht, besonders wenn es in Ihrer Umgebung laut ist? Fällt Ihren Kolleginnen und Kollegen auf, dass Sie neuerdings lauter sprechen?
Sie sind nicht allein...
Etwa 15 Millionen schwerhöige Menschen leben in Deutschland. Sie dürften also auch einige kennen...
Schwerhörigkeit - verbreitet aber versteckt
Obwohl schätzungsweise jeder Fünfte nur mit Einschränkungen hören kann, wird nicht gerne darüber gesprochen. Nutzen Sie jetzt die Chance, etwas zu ändern und die eigenen Bedürfnisse ernst zu nehmen!
Überprüfen Sie, wie gut Sie hören
Lassen Sie sich durch einen HNO-Arzt oder einen Hörgeräteakustiker testen. Oder gewinnen Sie über einen Selbsttest einen ersten Eindruck, wie es um Ihre Ohren steht: Einen Online-Hörtest finden Sie auf der Seite der Fördergemeinschaft gutes Hören unter www.fgh-info.de sowie auf den Webseiten vieler Hörakustiker.
Technik für gutes Hören
Hörgeräte sind heute klein und unauffällig. Und das Hilfsmittel der Wahl, um wieder hören und kommunizieren zu können. Testen Sie es aus. Ihr Hörgeräteakustiker berät Sie. Tragen Sie Hörsysteme, die auf Ihre Höreinschränkung und Bedürfnisse eingestellt sind, unverbindlich zur Probe. Nehmen Sie die Geräte mit und testen Sie das Hörgefühl zuhause oder am Arbeitsplatz.
Was kostet ein Hörgerät?
Mit der Verordnung Ihres HNO-Arztes beträgt der Zuschuss der gesetzlichen Krankenversicherung für ein Hörgerät zurzeit bis zu 785 Euro mit einem 20 %-igen Abschlag für das zweite Hörgerät bei beidohriger Versorgung mit Hörhilfen. Hinzu kommt die obligatorische Eigenbeteiligung von je 10 Euro pro Hörgerät. Allerdings sind einzelne Krankenkassen dazu übergegangen, diesen gesetzlichen Festbetrag zu unterbieten, indem sie preisgünstigere Leistungsverträge mit einzelnen Hörhilfsmittelanbietern abschließen. Deshalb ist es ratsam, die für Sie zuständige Krankenkasse vor der Anschaffung einer Hörhilfe diesbezüglich zu kontaktieren.
Technische Arbeitshilfen
Welche Schnittstelle braucht mein Hörgerät?
Achten Sie bei der Anschaffung von Hörgeräten auf Schnittstellen wie Audioausgang, Telefonspule oder Bluetooth. Hiermit können Verbindungen zum (Mobil-)Telefon, Laptop oder zu Tonübertragungsanlagen für Besprechungen hergestellt werden.
Welche Zusatzsysteme helfen bei Besprechungen?
- FM-Anlagen: Tonübertragung durch Funksignale direkt auf das Hörgerät
- Induktive Höranlagen: Tonübertragung innerhalb einer Kabelschleife direkt auf das Hörgerät
Welche technischen Lösungen gibt es für die Telefonie und/oder Videokonferenz?
- Telefonverstärker: Werden zur Lautstärkemodulation eingesetzt
- Barrierefreie Telefone: Bieten verschiedene Einstellungen und Schnittstellen an
- Verbindungen via Bluetooth: Drahtlose Übertragung zu Telefon, bzw Laptop
Offener Umgang ist wichtig
Offenheit im Umgang mit der eigenen Schwerhörigkeit hilft, Unsicherheiten und Missverständnisse am Arbeitsplatz zu vermeiden.
- Übersicht über unsere Kommunikationstipps
- hörkomm.de: Poster "Gute Gesprächskultur ist uns wichtig"