DHS-SPRECHERSEMINAR 2012 in Bad Grönenbach mit Referent Jochen Müller

Einführung in die gewaltfreie Kommunikation (GfK)

von U.L..

Händeschüttelnde StrichmännchenAls Neuling fühlte ich mich sofort wohl in dieser Runde, kannte ich ja auch schon einige Teilnehmer persönlich bzw. über das Portal. Nach dem RUNDEN TISCH SHG am Freitag erfolgte nach dem Abendbrot die Begrüßung durch Jochen Müller, der uns an den folgenden zwei Tagen mit diesem interessanten Thema durchs Wochenende begleiteten wollte. In einem ersten Gesprächskreis tauschten wir unsere Erwartungen an dieses Seminar aus.

Das Seminarthema

Persönlich habe ich mir eigentlich erst Gedanken zu Seminarthema gemacht, als Jochen uns per Mail im Vorfeld um Beispiele bat, selbst erlebte Ereignisse zum Thema Gewalt in der Kommunikation, im Kontakt mit anderen Mitmenschen, die ihren Ausdruck in solchen Sätzen finden wie: „Ich war wie vor den Kopf gestoßen“, „es war ein Stich ins Herz“ oder „ich war wie gelähmt.“

Unter Gewalt stellen sich die meisten Menschen (Gewalt-)Tätigkeiten vor. Aber um diese ging es hier nicht, sondern um nonverbale oder verbale Gewalt. Während die Einen in unserer Runde schon Erfahrung haben, z.B. durch Coaching im Betrieb, erwarten die Anderen Taktiken mitnehmen zu können im Umgang mit Konflikten, richtiges Reagieren, den Dialog suchen, nicht verletzend wirken, aber auch nicht verletzt werden zu wollen. Ich bin nicht die Einzige, die erst hier zum ersten Mal von der GfK hört.

Jochen Müller hat sich besonders intensiv mit der gewaltfreien Kommunikation beschäftigt und wird versuchen, uns die theoretischen Grundlagen zu vermitteln. Denn nur wer die Theorie beherrscht, kann diese in der Praxis auch anwenden und umsetzen. Er verrät uns die vier Grundkomponenten der GfK, mit denen wir uns an den folgenden Tagen beschäftigen werden: Beobachten, Fühlen, Bedürfnis und Bitte.

Voller Erwartungen starten wir dann am Samstag in die Einführung in die GfK. Was ist nonverbale, was ist verbale Gewalt? Wir sammeln und tragen Beispiele zusammen und ordnen sie zu. Schon dabei gibt es manchmal auseinandergehende Meinungen. Für den einen ist Schreien verbale, für den anderen nonverbale Gewalt…und beide begründen es.

Jochen hat zum Thema Gewalt einige zum Nachdenken anregende Zitate gesammelt.

Gruppenarbeit

In drei Arbeitsgruppen versuchen wir nun herauszufinden, warum der Mensch Gewalt ausübt, was ihn dazu antreibt bzw. was die Quellen der Gewalt sind.

Eigentlich steckt in jedem von uns Gewaltpotential: Das Baby schreit nach der Flasche, und es schaltet sich der Selbsterhaltungstrieb ein, wenn es um die Befriedigung von Bedürfnissen geht.

"Angst", "Druck", "Zeitnot", der "Machtkampf" und "Unsicherheit" tragen wir in unserer Gruppe zusammen. Das familiäre Umfeld, Abhängigkeiten, finanzielle Not, die Verweigerung von Anerkennung machen wir als mögliche Quellen aus. Unsicherheit treibt zu dominanten Forderungen an. Wir leben heute in einer Ellbogengesellschaft, und (Erfolgs-)Druck erzeugt Gegendruck.

Nach dieser Gruppenarbeitsphase und dem gegenseitigem Austausch der präsentierten Ergebnisse kommen wir zur Idee bzw. den Zielen der GfK. Die Methode gründet sich auf sprachliche und kommunikative Fähigkeiten, die unsere Möglichkeiten erweitert, selbst unter herausfordernden Umständen menschlich zu bleiben. Sie regt an, uns ehrlich und klar auszudrücken, dabei gleichzeitig anderen Menschen unsere respektvolle und einfühlsame Aufmerksamkeit zu schenken.

Selbst- und Fremdwahrnehmung, bewusste Kommunikation, neue Erfahrungsdimensionen und Lebensqualität sind weitere Stichpunkte, bevor wir zur ersten Komponente der GfK, dem Beobachten, gelangen.

Das Beobachten

Beobachtungen sind ein wichtiges Element in der GFK, wenn wir einem anderen Menschen klar und ehrlich mitteilen wollen, wie es uns geht. Wichtig ist, dass wir strikt zwischen Beobachtung und der Bewertung dieser Beobachtung trennen.

Und so lautete unsere nächste Gruppenaufgabe: Beobachtung oder Bewertung. Hier einige der „Statements“: „Hörende haben sowieso kein Verständnis für Hörbehinderte.“ „Immer, wenn ich auf meine Hörbehinderung aufmerksam mache, wird es schnell wieder vergessen.“ Oder „Ich schaffe es nicht, auf meine Hörbehinderung hinzuweisen.“

Für die meisten von uns ist es schwierig, Menschen und deren Verhalten in einer Weise zu beobachten, die frei von (Vor)Verurteilung, Kritik oder anderen Formen der Analyse ist. Vielleicht oder gerade deshalb dauerte diese Gruppenarbeitsphase und die Auseinandersetzung mit der Aufgabe länger als vorgesehen. Auch entwickelten sich manchmal die Gespräche ganz spontan anders.

Als jemand z.B. den Vorschlag machte, die blaue Wand (Pinnwand) vor das lichtdurchflutete Fenster zu stellen um entspannter absehen zu können, jubelt Jochen begeistert: „Ich liebe es, wenn Schlappohren ihre Bedürfnisse kund tun.“

Nach einer kurzen Kaffeepause kommen wir zur zweiten Komponente der GfK:

Gefühle wahrnehmen und ausdrücken

Durch das Entwickeln eines Wortschatzes, der es uns ermöglicht, unsere Gefühle klar und deutlich zu beschreiben, können wir leichter miteinander in Kontakt treten. Es kann bei der Konfliktlösung hilfreich sein, wenn wir uns zugestehen, mit dem Ausdrücken unserer Gefühle auch unsere Verletzlichkeit zu zeigen.

Nach weiteren theoretischen Aspekten gibt es wieder eine Gruppenarbeit. In welchen der folgenden Sätze werden Gefühle wahrgenommen und ausgedrückt? „Ich fühle mich nicht verstanden.“ „Ich habe das Gefühl, du gehst mir aus dem Weg, weil ich schwerhörig bin.“ „Ich kann doch nicht immer nachfragen, wenn ich nicht verstanden habe.“

Es fiel mir nicht leicht Gefühle von Gedanken zu unterscheiden, und als wir dann wieder in der großen Runde saßen und uns über die Arbeitsgruppenergebnisse austauschten, nahmen die Gefühle ihren Lauf. Es entwickelte sich zwischen Jochen und Karin spontan ein Gespräch, welches in meinen Ohren wie ein Kommunikationstraining klang.

Bedürfnisse erkennen und akzeptieren

Zur dritten Komponente der GfK gehört das Erkennen und Akzeptieren der Bedürfnisse hinter unseren Gefühlen. Dies schärft unsere Wahrnehmung der Tatsache, dass das, was andere sagen oder tun, ein Auslöser für unsere Gefühle sein mag, aber nie ihre Ursache ist. Wir erkennen, dass unsere Gefühle aus unserer Entscheidung kommen, wie wir das, was andere sagen oder tun, aufnehmen wollen; und sie entstehen aus unseren jeweiligen Bedürfnissen und Erwartungen in der aktuellen Situation.

Je besser es uns gelingt, unsere Gefühle direkt mit unseren Bedürfnissen zu verknüpfen, desto einfacher ist es für andere, einfühlsam auf unsere Bedürfnisse zu reagieren.

Ein Tag mit so viel Lernstoff zeigte Wirkung nicht nur bei den Teilnehmern und gingen wir teilweise nachdenklich auseinander.

Bayern München hatte sich ausgerechnet den Abschlussabend als Spieltermin für das Championsleague-Finale auserkoren. So fieberten die Einen mit, und diskutierten bzw. tauschten sich die Anderen nebenan weiter aus. Trotz des Ausscheidens (und der einhelligen Meinung, dass die Bayern die Besseren waren), trafen wir uns am anderen Morgen trotz Staus beim Auschecken fast pünktlich zum Gruppenfoto. Und dann ging es auch schon weiter mit den theoretischen Grundlagen und der dritten Komponente. Das Erkennen und Akzeptieren der Bedürfnisse hinter unseren Gefühlen und Verantwortung für unsere Gefühle zu übernehmen.

Die eigene Verantwortung

Wer übernimmt Verantwortung für seine Gefühle? - lautete eine weitere Gruppenarbeit. Sätze wie folgende standen zur Diskussion: „Ich bin dankbar, wenn du mit mir in LGB sprichst.“ „Ich muss als Hörbehinderter froh sein, wenn mir geholfen wird.“ „Wir müssen uns anpassen/unterordnen, damit wir den anderen nicht auf die Nerven gehen.“ Manche Sätze scheinen für uns so eindeutig, bei näherem Hinsehen und Analysieren scheint das Bauchgefühl aber in Frage gestellt…

Die vierte Komponente der GfK schaffen wir leider nicht mehr zu besprechen, werden aber von Jochen per E-Mail seine Aufzeichnungen erhalten. Das ist auch notwendig, um alles in Ruhe noch einmal auf sich wirken und verdauen zu können.

Ich notiere mir noch:

Je besser es uns gelingt, unsere Gefühle direkt mit unseren Bedürfnissen zu verknüpfen, desto einfacher ist es für andere, einfühlsam auf unsere Bedürfnisse zu reagieren.

In der Abschlussrunde drückte Karola ihr Befinden so aus: Sie fühle sich wie ein aufgewühlter Acker, sie nimmt ein Tütchen Samen aus dem Seminar mit und wir werden sehen, wie es sich entwickelt…

Alle Teilnehmer wünschten sich eine Fortsetzung und Vertiefung in dieses Thema mit vielleicht mehr Rollenspiel. Sehr berührt hat alle das Gedicht "Worte sind Fenster (oder sie sind Mauern)" von Ruth Bebermeyer, mit dem Jochen das Seminar beendete.

Ein Dankeschön an die Organisatoren dieses Sprecherseminars, ganz besonders Jochen Müller. Und ein Dankeschön allen Teilnehmern. Ich habe mich überhaupt nicht wie ein Neuling gefühlt und werde bestimmt das nächste Sprecherseminar zum weiteren Austauschen und Lernen nutzen.